Mitte Februar 2021 haben Landwirtinnen und Landwirte bundesweit gegen das neue Insektenschutzgesetz mobil gemacht, auf das sich das Kabinett nach langem Streit zwischen dem Bundeslandwirtschafts–
und dem Bundesumweltministerium geeinigt hat. Auch der regionale Bauernverband hat protestiert, die regionalen Medien haben umfassend berichtet. Wir vom Bündnis Artenvielfalt, Bayern möchten mit
diesem Beitrag unsere deutlich abweichende Position darstellen.
Landwirtschaft geht alle an. Sie erzeugt die Nahrung, von der wir leben. Wie unsere Landwirtschaft arbeitet und in welche Richtung sie politisch gesteuert wird, hat sehr großen Einfluss auf die
Klimapolitik, national und weltweit. In Bayern nutzt die Landwirtschaft knapp die Hälfte der Fläche Bayerns und prägt damit die Landschaft entscheidend mit. Sie beeinflusst die Qualität von Boden
und Wasser und den Lebensraum von Tier- und Pflanzenarten. Somit ist die ganze Gesellschaft auf vielfältige Weise betroffen und hat ein Mitspracherecht bei der Gestaltung. Dies ergibt sich auch
aus der Tatsache, dass aktuell zwischen 40 und 60% der Einkommen in der Landwirtschaft aus Prämien und Zahlungen der EU sowie der Länder stammen.
Der Verlust an Biodiversität ist so dramatisch wie die Klimakrise. Schlimmer noch: Die beiden Krisen bedingen sich gegenseitig und können daher auch nur gemeinsam gelöst werden. Die Artenvielfalt
der Agrarlandschaft nimmt seit Jahrzehnten drastisch ab. Die Roten Listen und die dramatische negative Bestandsentwicklung vieler Vogel- und Insektenarten müssen als Notsignal der Natur erkannt
werden und diesem Trend entgegenzuwirken muss oberste Prämisse allen Handelns werden.
Subventionen in die falsche Richtung
Die biologische Vielfalt ist von zentraler Bedeutung für das Leben. Ihre fortschreitende Gefährdung birgt völlig unkalkulierbare Risiken. Das haben zahlreiche, durch Monokulturen und
unüberlegtes, rein am kurzfristigen Ertrag orientiertes Wirtschaften verursachte, Umweltkatastrophen immer wieder gezeigt. Das aktuelle Fördersystem für die Landwirtschaft zwingt viele
Landwirtinnen und Landwirte zur Fokussierung auf kurzfristig maximale Erträge und zu immer intensiverer Nutzung von Böden und Tieren. Es wird planlos die reine Masse subventioniert. Die hohen
Folgekosten für Wasserreinigung und Klimaschutz trägt die Allgemeinheit. Daher ist eine Trendwende in der Landwirtschaft unausweichlich. Ökologischer Landbau, und die Ökologisierung der
konventionellen Landwirtschaft sind das einzige probate Mittel, das politisch jetzt aus unserer Sicht angesagt sind.
Verbraucherverhalten bestimmt mit. Politik entscheidet über Förderkonditionen
Von all diesen Zusammenhängen bleiben wir alle als Verbraucher natürlich nicht unberührt. Der Kampf um den letzten Cent, den der Liter Milch noch billiger werden muss. Immer neue Tiefstpreise für
Fleisch, das unter - für Mensch und Tier – oftmals widerwärtigen Bedingungen
produziert wird. Jede Frucht zu jeder Jahreszeit. Das alles ist absurd. Jeder Einzelne sollte darüber nachdenken, wenn es ans Einkaufen geht.
Teilweise sind die Verbraucher*Innen aber schon weiter, als die nationale Produktion. Aktuell wächst der Markt für Bio-Lebensmittel schneller als der Anbau, der Import-Anteil steigt also. Ein
Grund mehr für viele Landwirtinnen und Landwirte über die Umstellung auf Bio nachzudenken. Die Bereitschaft ist hoch, laut Bauernverband konnten sich 2019 über 18 % der konventionellen Betriebe
einen Umstieg konkret vorstellen. Und das obwohl die, von der Agrarlobby gesteuerte landwirtschaftliche Ausbildung, natürliches Wirtschaften eher verteufelt als lehrt.
Ziele erreichbar machen
Ende 2021 wurden erst 13% der landwirtschaftlichen Fläche Bayerns nach den Grundsätzen der biologischen Landwirtschaft bewirtschaftet. Für Bayern hat unser Aktionsbündnis für das Volksbegehren
Artenvielfalt durchgesetzt, dass das Ziel 30% bis 2030 im Naturschutzgesetz festgeschrieben ist. Ebenso ein Biotopverbund auf 15 % der Offenlandflächen in Bayern. Leider tut die Bayerische
Staatsregierung noch zu wenig, um das eigene, ehrgeizige Ziel zu erreichen. Wir brauchen geänderte Förderrichtlinien, völlig andere Anreizsysteme und Sicherheit für die Betriebe, die umstellen.
Trotz falscher Vorgaben aus Brüssel haben die Mitgliedsstaaten und auch die Bundesländer genügend Spielräume, um in Richtung Bio zu steuern, zu investieren.
Den Landwirtinnen und Landwirten gebührt hohe Anerkennung für ihre tägliche Arbeit. Die Rahmenbedingungen für diese Arbeit dürfen nicht erschwert, sondern müssen optimiert werden. Es gilt
bäuerliche Strukturen zu stärken, regionale Wertschöpfungsketten und solidarische Systeme zu fördern. Die Exportorientierung der Landwirtschaft zulasten anderer Regionen muss abgebaut werden.
Ziel ist, dass es für Bäuerinnen und Bauern eine echte Alternative zum System „Wachse oder Weiche“ gibt. Die Neuausrichtung zur umfassenden Ökologisierung ist aber zwingend!
Für neue Reformansätze müssen sich die Politik und die Landwirtschaftsverbände öffnen. Auch die Landwirtschaft muss, wie viele andere Produktionsbereiche, neue Wege gehen. wenn die Gesellschaft
Natur- und Klimaschutz wirksam umsetzen will. Landwirtinnen und Landwirte produzieren nicht nur Produkte, sondern auch die Landschaft, in der wir leben. „Biodiversität“ muss ihnen also als
Leistung gleichwertig zur Produktion anerkannt und vergütet werden.
Faktencheck:
Die meisten Vogelarten der Kulturlandschaft wie Braunkehlchen, Feldlerche, Grauammer, Heidelerche, Kiebitz, Neuntöter, Rebhuhn, Rotmilan und Steinkauz stehen in Bayern auf der Roten Liste, einige
sind vom Aussterben bedroht. Auch Feldhase, Feldhamster, Schmetterlinge, ja selbst der Feld-Grashüpfer sind zu seltenen Tieren der Feldflur geworden. Den Ackerwildkräutern geht es nicht besser.
Ein Hauptgrund für diese bedrohliche Entwicklung liegt in der Verarmung der Landschaft an Biotopstrukturen wie Feldrainen, Ranken, Wegsäumen, Bracheinseln und Hecken sowie die immer engeren
Fruchtfolgen. Für die Brutvögel feuchter Wiesen und Moore ist die bereits Jahrhunderte andauernde Trockenlegung der Landschaft fatal. Vielen Arten macht auch die starke Düngung von Äckern und
Wiesen zu schaffen: Arten- und blütenreiche Wiesen können sich nur auf mageren bis mäßig nährstoffreichen Standorten entwickeln. In Getreideäckern hingegen wachsen heutzutage die Bestände so
dicht, dass sie für die am Boden lebenden Vögel kaum mehr nutzbar sind. Und schließlich führt die flächige Verwendung von Herbiziden und Pestiziden dazu, dass es nahezu keine Ackerwildkräuter
mehr gibt, weshalb diese zu den am meisten gefährdeten Pflanzen Bayerns gehören. Entsprechend hat auch die Menge an Insekten, Spinnen und anderen Kleintieren in den letzten 40 Jahren drastisch
abgenommen (um durchschnittlich 75 Prozent!). Äußerst problematisch
ist auch der Umbruch von Grünland in Acker und die verbreitete Ackernutzung auf ehemaligen Niedermoorböden: sie führen zur Freisetzung von klimaschädlichen Gasen in großen Mengen. Die einseitige
Ausrichtung der Produktion auf Maximalerträge mit immer weiterer Intensivierung schädigt die lebenswichtigen Ressourcen Wasser, Boden, Luft und Artenvielfalt. Die hohen Folgekosten für
Wasserreinigung und Klimaschutz trägt die Allgemeinheit. Daher ist eine Trendwende in der Landwirtschaft unausweichlich.
Aktionsbündnis Volksbegehren Artenvielfalt Coburg:
ÖDP
Bündnis90/Die Grünen Stadt und Land Coburg
Grüne Jugend
LBV Coburg
Bund Naturschutz Coburg
SPD Stadt
Jusos
Gärtnerhof Callenberg