Die Schleiereule

Verbreitung

junge Schleiereule
junge Schleiereule

„Die Schleiereule ist in Bayern regional verbreitet mit Verbreitungsschwerpunkt im klimatisch milden Nordwestbayern“ BEZZEL et al. (2005). Ihr Brutbestand in Bayern wird auf 600 bis 1200 geschätzt BEZZEL et al. (2005). Für Deutschland schätzen MEBS & SCHERZINGER (2000) den Brutpaarbestand auf 9300 bis 12000 (1998). Regional liegt das Coburger Land noch im Kerngebiet der Schleiereulenvorkommen Bayerns.

Bestandsentwicklung im Coburger Land: Ein ständiges Auf und Ab

Dass die Schleiereule im Coburger Land in ihrem Bestand abnimmt, musste schon BRÜCKNER (1926) feststellen. Er schreibt, dass die Landleute die Eule verfolgen, da sie die Tauben in den Schlägen umbringe. Auch schreibt er, dass früher fast in jedem Kirchturm ein Paar brütete, sie jetzt aber geradezu selten geworden ist. Auch BARNICKEL et al. (1977) schreibt, dass ihr Bestand im Gebiet rückläufig ist. Er führt hier als Grund die bekannten Schwankungen der Feldmauspopulation an, also der Hauptnahrung, und die Verdrängung aus ihren Brutplätzen. Er zählt im Zeitraum 1960 bis 1979 insgesamt 27 Brutnachweise auf. Für 1982 geben FROBEL et al. (2002) den ungefähren Brutbestand im Landkreis mit nur noch 5 Paaren an. Wie dem obigen Diagramm zu entnehmen ist, hält diese äußerst schlechte Bestandssituation - bei zwischenzeitlichen weiteren Rückgängen wie vernachlässigbaren Zunahmen - auch Anfang der 90er Jahre unverändert an.

 

Das Jahre 1993 bescherte uns mit 14 Brutpaaren plötzlich fast dreimal so viele Schleiereulen-Bruten wie das Vorjahr! Damit nicht genug: auch die Zahl der Zweitbruten kletterte von zwei auf sieben. Schon im Jahr 1996 brüteten wieder 22 Schleiereulen-Paare im Coburger Land, also fast so viele wie in zwei ganzen Jahrzehnten bei Barnickel et al. (1977)! Die regionale Bestandszunahme ist mit verstärkten Aktivitäten zum Schutz der Schleiereule zu erklären. Angeregt durch erste Bruterfolge in künstlichen Nisthilfen im Raum Bad Rodach durch Klaus Habermaaß seit Ende der 70er Jahre, hat die LBV Arbeitsgruppe Eulenschutz Coburg unter Leitung von Gerold Schlosser für die Schleiereule seit Mitte der 80er Jahre ca. 300 Nistkästen in Scheunen und Kirchen aufgehängt und konnte so die Schleiereule im Coburger Land über 25 Jahre lückenlos dokumentieren. Eine Auswertung dieser Aufzeichnungen findet sich in ÖKOLOGISCHE BILDUNGSSTÄTTE OBERFRANKEN (2006). Mit einigen - natürlichen - Schwankungen und einem kleinen Einbruch zu Beginn des neuen Jahrtausends, aber auch mit erfreulichen "Ausreißern" nach oben, hielt diese erfreuliche Bestandssituation der Schleiereule im Coburger Land bis 2008 an...

 

Für die Jahre 2010 und 2011 sind plötzlich wieder enorme Bestandseinbrüche der Schleiereule im Landkreis Coburg zu verzeichnen. Dieses ist auf die langen und hohen Schneelagen der Winter 2009/ 2010 und 2010/ 2011 zurückzuführen. Starke Bestandseinbrüche durch Nahrungsmangel in Folge hoher Schneelagen oder durch Zusammenbrechen der Mäusepopulation sind bei der Schleiereule als normal zu bezeichnen. MEBS & SCHERZINGER (2000) schreiben, dass die Bestände bis zu 90 % zusammenbrechen können. BRANDT & SEEBASS (1994) schreiben, dass Schleiereulen bei Schneelagen auf Nahrung aus Gebäuden angewiesen sind und dass ältere erfahrenere Schleiereulen, die mehr nahrungsreiche Scheunen kennen, deutlichere Überlebenschancen haben. Das deckt sich auch mit den Aufzeichnungen aus dem Landkreis Coburg, wo nur die langjährig erfolgreichsten Brutplätze, in offenen landwirtschaftlichen Anwesen mit vielen Mäusen, in den Jahren 2010 und 2011 erfolgreich brüteten.

Nistkästen im ganzen Landkreis - nicht nur zum Brüten

So genannte Schleiereulenbrutkästen hängen in fast allen Gemeinden des Landkreises. Die Karte zeigt die Verteilung der eingemessenen Nisthilfen im Coburger Land. Gebiete mit wenigen bis gar keinen Brutkästen sind die großen Waldstrukturen - Schleiereulen sind Bewohner der offenen Kulturlandschaft - und die Höhenlagen, da die Schleiereule bei längerer geschlossener Schneelage verhungert.

Ebenfalls zeigt die Karte, dass ein Großteil der Brutplätzte, nämlich 152, nie zur Brut genutzt wurde. Doch werden auch diese Nistkästen gerne als Tagesunterstand oder von unverpaarten Jungvögeln genutzt. Des Weiteren nutzen sowohl der Turmfalke (immerhin Vogel des Jahres 2007) als auch die Dohle (Vogel des Jahres 2012) die Schleiereulenkästen zum Brüten. Hier kann ein regelrechtes Konkurrenzverhältnis um Brutplätze entstehen. In diesen Kämpfen ist der Turmfalke der Dohle unterlegen und die Dohle der Schleiereule. Probleme entstehen, wenn die Dohle über längere Zeit unbedrängt die Schleiereulenkästen nutzten kann. Zur Verkleinerung des Innenraumes der Schleiereulenkästen - die Dohle brütet im vorderen Drittel - trägt sie massiv Nistmaterial, vor allem kleine Stöckchen, in die Kästen ein. Solche Kästen sind für die Schleiereule nicht mehr nutzbar. Sie brütet im hintersten Drittel des Kastens, an der dunkelsten Stelle. Es ist auch schon vorgekommen, dass Turmfalke und Schleiereule zusammen im Kasten gebrütet haben. Da der Turmfalke kein Material einträgt und auch im vorderen Teil der Kästen brütet, ist diese Koexistenz in den Kästen durchaus möglich. Allein im Jahre 2011 wurden 43 Bruten vom Turmfalken in Nisthilfen der AG Eulenschutz registriert. Auch die Dohle besiedelt immer mehr Bereiche des Landkreises. Verstärkt tritt sie auf den Langen Bergen und im Itzgrund auf. Im Jahre 2011 wurden 19 Bruten in Nisthilfen der AG registriert.

Belegungszahlen der Nistkästen

In der Abbildung ist dargestellt, wie häufig Nisthilfen der AG Eulenschutz Coburg von der Schleiereule seit 1986 angenommen wurden. Es zeigt sich, dass die Schleiereule in nahrungsreichen Revieren über viele Jahre hintereinander erfolgreich in Nisthilfen brütet.

 

Im Landkreis Coburg gibt es unter 241 erfassten Brutplätzen nur zehn, die seit 1986 mindestens zehnmal belegt waren. Aber allein an diesen 10 Brutplätzen flogen 743 erfasste junge Schleiereulen aus. Das sind bei insgesamt 1816 erfassten Jungvögeln 43 % aller ausgeflogenen Schleiereulen. Es ist unerlässlich, Reviere mit hohem Reproduktionserfolg langfristig zu sichern, sind sie doch Garant für eine stabile Schleiereulenpopulation im Landkreis Coburg.

 

Die in den letzten Jahren durchgängig besetzten Reviere befinden sich alle in Scheunen von Bauernhöfen, wo die Schleiereule auch im Winter in offenen Ställen und Scheunen genug Mäuse fangen konnte. Für einen dauerhaften Schutz der Schleiereule ist es demnach nicht nur wichtig, viele Brutmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, sondern es müssen vor allem die Landwirte überzeugt werden, ihre Scheunen und Ställe gerade im Winter wieder für die Eulen zugänglich zu machen.

Seit Beginn der Aktivitäten der AG Eulenschutz hat sich der Bestand der Schleiereule im Coburger Land erheblich vergrößert. Der Einsatz von Nisthilfen in Kirchen und Scheunen eröffnete der Schleiereule eine Vielzahl neuer Brutmöglichkeiten. Wurde der Bestand 1982 von FROBEL et al. (2002) mit 5 Paaren im Landkreis angegeben, so konnten allein 2001 34 Erstbruten (Abb. oben) nur in Nisthilfen der AG erfasst werden. Es ist zudem noch mit einer hohen Dunkelziffer von Bruten außerhalb der AG Nisthilfen zu rechnen. Der stetige Anstieg der Schleiereulenpopulation ist auf einen stetigen Anstieg der Nistmöglichkeiten durch den Einsatz der AG Eulenschutz zurückzuführen. Bruterfolge unterliegen den Schwankungen der Feldmauspopulation. Dies zeigt sich sowohl an der Anzahl ausgeflogener Jungvögel im Verhältnis zur Brut (Abb. unten) als auch am Auftreten von Zweitbruten (Abb. oben). Die Zweitgelege fallen bei der Schleiereule im Allgemeinen größer aus als die Erstgelege da die Feldmausdichte im Laufe des Jahres zunimmt.

Lebensraum

Die Schleiereule ist ein Brutvogel des Tieflandes mit günstigen klimatischen Verhältnissen und sie ist ein ausgesprochener Kulturfolger. „Ihre Brut- und Aufenthaltsorte finden wir im Allgemeinen (...) in unmittelbarer Nähe des Menschen. Ruinen, Scheunen, Schlösser, Hausböden, Taubenschläge und vor allem Kirchtürme werden von der Schleiereule geradezu bevorzugt“ SCHNEIDER (1977) Wichtig ist dabei ein freier An- und Abflug zum Brutplatz oder Tagesruhesitz MEBS & SCHERZINGER (2000).

Nahrung

Die Schleiereule ist in ihrer Nahrung auf Kleinsäuger spezialisiert. Hauptanteil sind Spitz-, Wühl- und Echte Mäuse, wobei Die Feldmaus wichtigste Nahrung ist und bis zu 95 % ausmachen kann MEBS & SCHERZINGER (2000). Vögel spielen bei der Ernährung kaum eine Rolle und werden hauptsächlich bei Degradation der Mäusepopulation oder hoher Schneelage geschlagen. Ein Landwirt berichtete beispielsweise, wie eine Schleiereule im schneereichen Winter 2009/ 2010 in einem offenen Stall schlafende Spatzen aus Schwalbennestern erbeutet hat.

Lebensweise

Laut BEZZEL (1985) werden männliche und weibliche Schleiereulen im ersten Jahr geschlechtsreif und nach der Verpaarung leben sie in monogamer Dauerehe. Erstbruten finden ab April – Mai statt. Späte Erstbruten können aber auch im August stattfinden. Je nach Nahrung werden unterschiedlich viele Eier gelegt. Bei Erstbruten im Durchschnitt vier bis fünf. In mäusearmen Jahren kann das Brutgeschäft völlig ausbleiben. In mäusereichen Jahren sind Nach- und Zweitgelege sowie Schachtelbruten keine Seltenheit. Diese Bruten finden häufig noch im September statt und haben oft hohe Gelegezahlen von 7 bis 10 Eiern. Das lässt sich mit der Zunahme der Feldmausdichte im Jahresverlauf erklären. Durch die hohe Anzahl an Jungen und die Möglichkeit zur Zweit- und Schachtelbrut in Jahren mit Feldmaus-Gradationen kann die Schleiereule die hohen Verluste strenger Winter in wenigen Jahren wieder ausgleichen.

Gefährdung und Schutz

Die in Bayern stark gefährdete Schleiereule FÜNFSTÜCK et al. (2003) hat erheblich mit der Veränderung der Kulturlandschaft zu kämpfen. Das Versiegeln von Stallungen und Scheunen aus hygienischen Gründen trifft die Eule vor allem im Winter ziemlich hart. Das verringerte Nahrungsangebot in der Feldflur, zurückzuführen auf Melioration, Wiesenumbruch, Eutrophierung und Flurbereinigung, hat vor allem Einfluss auf die Jungenzahl und die Dichte der Brutpaare. Das Problem des Brutplatzmangels dürfte nur noch lokal eine Rolle spielen. Durch Einbau künstlicher Nisthilfen, so genannter Schleiereulenkästen, und durch Aktionen von Naturschutzverbänden wie LBV oder NABU (zum Beispiel „Lebensraum Kirchturm“) stehen heute in vielen Regionen viele zusätzliche Nistplätze zur Verfügung. Doch machen solche Nisthilfen nur dort einen Sinn, wo genug Nahrung vorhanden ist und keine vielbefahrenen Verkehrswege die Reviere durchkreuzen.